In mehrfacher Hinsicht ist kommerzieller Erfolg im Jazz den Kritikern stets suspekt gewesen. Entweder wird dem Künstler ohne Federlesen die Zugehörigkeit zur Sparte aufgekündigt, oder die Gründe für die Durchschlagkraft lassen sich plötzlich in allem anderen als der musikalischen Qualität entdecken: Image, Aussehen, Marketing. Unterton ist jedoch immer: “guter Jazz ist um Himmels Willen nicht gefällig, sondern anspruchsvoll, kompliziert, schwer zugänglich und darf nichts für die Massen sein.“ Die selbsternannte Jazzpolizei ist mal wieder bockig, und liegt doch vollkommen daneben.

Seit Anfang der 90er befindet sich die 1964 im kanadischen British Columbia geborene Pianistin und Sängerin Diana Krall auf einem stetig nach oben weisenden Karriereweg. Die blonde Jazz-Chanteuse selber begründet diesen Erfolg bescheiden vor allem mit einer Menge Glück. Wer sie jedoch zuletzt auf einem ihrer diversen Auftritte in Europa erleben konnte, wird sehr schnell von ihrer immensen Ausstrahlung aber vor allem ihrem enormen Talent und ihrer Musikalität gefangen genommen worden sein. Genau das Unprätentiöse, Intuitive und nicht zuletzt Laszive vereint Diana Krall wie kaum eine andere Interpretin sämtlicher lebender und vergangener Generation so elegant und gefühlvoll. Ihr Klavierspiel ist virtuos und leicht, kann unglaublich swingend daherkommen und sich geschickt im Hintergrund verbergen, nur um im richtigen Moment das Drama des Herzschmerz aus dem Mark des Zuhörers zu saugen und das ganze Volumen das das Instrument einer wirkungsvollen Improvisation verleiht scheint sich auszuschütten. Erinnerungen an den großen Oscar Peterson und an Thelonious Monk werden wach. Dabei überschattet Ihr Spiel nie die Stimmung des Songs und nimmt sich nicht zu wichtig, was sich besonders auf 2001er Studio-Album, dem mehrfach Platin-veredelten “The Look Of Love” zeigt.

Krall’s Stimme, mit ihrem rauchigen, schmeichelnden Timbre, Honig und Whisky gleich, vermag es, die Stücke, die Diana interpretiert, mit erschütternder Glaubhaftigkeit in kleine Empfindungsstudien umzuwandeln, ohne übergroße Tragik aufkommen zu lassen. Sie wolle Gefühle äußern, ohne dem Zuhörer die Chance zu nehmen, sich selbst in der Musik wiederzufinden. Dass gerade dies gelingt, lässt sich sicher auch auf die Auswahl Ihres Materials zurückführen. Krall erweckt die Jazz-Standards des Amerikanischen Songbooks wieder zum Leben und entdeckt ihre eigenen Versionen alter Klassiker von Nat King Cole, Peggy Lee und Sinatra. Sie sagte stets, dass sie nur über Dinge singen kann, die sie selbst nachempfinden könne, und zugegebenermaßen ist ihr erwähltes musikalisches Metier noch nie im Besonderen für politische und gesellschaftskritische Thematiken bekannt gewesen. Somit bewegen sich die meisten Ihrer Stücke zwischen Liebes-Freudentaumel und Liebes-Wehmut, wie sie es schon immer getan haben.

Aufwachsen zwischen Fats Waller Platten, die ihr Vater sammelt und umgeben von einer musizierenden Familie, die vor allem an Sonntagen im Haus der Großmutter um die Wette tönt – das Fundament könnte nicht besser sein. Und so beginnt Diana Krall im Alter von 4 Jahren mit einer klassischen Klavierausbildung. Als Teenagerin spielt sie nebenbei Jazz in der Schulband und mit 15 tritt sie in ihrer Heimatstadt Nanaimo bereits regelmäßig in zwei örtlichen Restaurants (eins davon die Sport-Bar „NHL“) auf. Gesponsert vom Vancouver Jazz Festival erhält sie mit 17 die Chance für 1 ½ Jahre am renommierten Berklee College of Music in Boston zu studieren. Dort, beschreibt Krall immer wieder, sitzt sie oft stundenlang vor dem Plattenspieler und legte die Nadel wieder und wieder zurück wenn Michael Breckers „Cityscape“ spielt.

Zurück in British Columbia begeistert ihr Talent den legendären Bassisten Ray Brown so sehr, dass er sie überredet, nach Los Angeles zu ziehen, wo die Musikbranche jungen Künstlern eine weitaus größere Plattform bietet. Sie studiert bei Jimmy Rowles, der sie letztendlich an den Gesang heranführt und sie ermutigt, diese Richtung neben dem Klavierspiel weiterzuentwickeln. 1990 zieht sie nach New York und beginnt eine Reihe sehr erfolgreicher Auftritte mit ihrem eigenen Trio zwischen New York City und Boston während sie gleichzeitig an ihrem Gesangsstil arbeitet und experimentiert. 1993 erscheint Diana Krall’s erstes Album mit dem passenden Titel “Stepping Out” (Justin Time Records) und zwei Jahre später spielt sie mit “Only Trust Your Heart” (GPR), eine erfolgreiche Zusammenarbeit mit Ray Brown, Christian McBride, und Stanley Turrentine, Album Nummer zwei ein. Mit “All For You” (GPR), einer Hommage an das legendäre Nat King Cole Trio, erreicht sie 1996 ihre erste Grammy-Nominierung und pflanzt sich für sagenhafte 70 Wochen in die traditionellen Jazz Charts der USA. Noch einen drauf setzt sie im Folgejahr mit dem von der Kritik gefeierten “Love Scenes” (GPR), welches bisher rund 700.000fach verkauft wurde und ihr eine weitere Grammy-Nominierung beschert.

Mit “When I Look in Your Eyes” (GPR) geht sie sich 1999 das erste mal mit einem ausgewachsenen Orchester ins Studio. Die Arrangements von Johnny Mandel sind ausgefeilt und ergänzen die ausgewählten Stücke auf perfekte Weise. “Oh wundersam” mag man denken, dass auch hier wieder der Instinkt, einen Klassiker wie “Let’s Face The Music and Dance” vollkommen neu zu interpretieren und arrangieren, genau der richtige war. Erstmalig wird ein Diana-Krall-Song mit einem obligatorische Musikvideo ins richtige Licht gesetzt. Das Album verkauft sich in für Jazz-Kreise selten dagewesenen Zahlen, wird mehrfach für den Grammy nominiert inkl. der seit 25 Jahren völlig jazzfreien Zone des “Besten Albums des Jahres”. Sie erhält den begehrten Musikpreis schließlich in der Kategorie “Beste Jazz Interpretin des Jahres”.

Mit “The Look Of Love” (Verve, 2001) wird der Erfolgkurs fortgesetzt. Das Album – das vierte in Folge von Jazz-Veteran Tommy LiPuma produziert – erreichte schnell mehrfachen Platin-Status. Die Sammlung ist gefällig und anspruchsvoll, elegant und lasziv, Bossa Nova und Ballade, klassisch und sexy. Sinatraesque wandert Diana Krall hier im Schlenderschritt durch verstaubtgeglaubte Melodien wie „S’Wonderful“ und „Besame Mucho“, holt sich Claus Ogerman, der dem Dasein als einem der größten Jazz-Arrangeure zu Gunsten eigener Kompositionen quasi bereits Adieu gesagt hatte, dazu und interpretiert neu, ohne sich aufzudrängen. Ihr Klavierspiel ist häufig reduziert auf Colorierung und gerade dieses Minimum schafft die Atmosphäre die Krall anstrebt und die eindeutig im Mittelpunkt dieses Albums steht: Viel Gefühl und wenig Schickschnack, kein Ballast und genau die Qualität in der Musik wie sie Diana Krall anstrebt und liebt. Wenig ist nachweislich oftmals mehr. Und im Fall von Diana Krall jede Menge mehr.

Seit Ewigkeiten scheint sie zudem auf Tournee zu sein. Zum Erscheinen von “The Look of Love” im September 2001 ging es erneut auf eine Welttournee, die sie durch Europa, die USA, Australien, Asien und zurück nach Europa führte. Ihr dadurch entstandenes erstes Live-Album „Diana Krall – Live In Paris“ (Verve, 2002) kann guten Gewissens zu den besten Live-Einspielungen der jüngeren Jazzgeschichte gezählt werden, bricht weitere Rekorde und brachte Diana in 2003 ihren zweiten Grammy® für das beste Vocal-Jazz-Album und einen weiteren JUNO® Award ein.

Mit 16 Jahren träumte sie davon, gemeinsam mit den damals bereits unumstrittenen Jazz-Größen John Clayton (Bass) und Jeff Hamilton (Drums) zu spielen. Jetzt gehören beide zu ihrer Stammtruppe. Und wie es sich gehört blickt sie nach wie vor gelegentlich zu ihren beiden Mentoren auf und denkt „Mannomann, streng Dich an, Mädchen. Heute mußt Du gut sein.“

Seit Dezember 2003 ist sie mit dem britischen Musiker und Songschreiber Elvis Costello verheiratet – eine Paarung, die auf beiden Seiten bereits musikalische Früchte getragen hat: Elvis darf nicht leugnen, dass sein jüngstes Album, das jazzige „North“, stark von seiner Beziehung zu Diana und ihrer musikalischen Ausstrahlung inspiriert wurde. Diana selbst hat sich auf ihrem neuen Album „The Girl In The Other Room“ diesmal verstärkt ans komponieren und texten gemacht und gemeinsam mit ihrem Gatten einige traumhafte Songs geschaffen. „The Girl In The Other Room“ (Veröffentlichung: April 2004) wurde somit zudem ihr bisher persönlichstes und sicher einfühlsamstes Album. Nicht zuletzt auch da sie vollkommen auf die Rückendeckung von Streichern verzichtet und wieder mehr von ihrem phänomenalen Klavierspiel zeigt.

Die Fähigkeit, eine Halle wie die Berliner und Kölner Philharmonie oder die Royal Albert Hall in London nicht nur binnen kurzer Zeit auszuverkaufen, sondern am Konzertabend durch Stimme, Aura, gemütlichen Smalltalk, Witz und unprätentiöse Atmosphäre aber auch ansteckende Begeisterung für die Musik, die sie spielt, die Intimität eines Jazz-Clubs zu erzeugen, macht Diana Krall zur derzeit nicht nur größten und populärsten, sondern auch wichtigsten Jazz-Interpretin. Und sie wird sogar immer noch besser.

nvm