Wie die Bestätigung eines einschlägigen Klischees der Musikindustrie liest sich die Entstehungsgeschichte dieses Albums: Junge talentierte aber noch namenlose Jazz Pianistin-Sängerin trifft fern der kanadischen Heimat in Zürich auf enthusiastischen lokalen Jazz Musiker, der sich mit Taxi-Fahrten ein Zubrot verdient; man verabredet sich zur gemeinsamen Jam-Session, später einer kleinen Club-Tour mit Band und zu guter letzt einer 2-tägigen Studioarbeit. Die anschließende Suche nach einem Label zwecks Veröffentlichung ist müßig, irgendwann hoffnungslos und wird kurze Zeit später aufgegeben. Die Jazz Musikerin macht wenige Jahre später die wohl beindruckendste Karriere ihrer Musikgattung, lässt sich ihre Alben Platin und Grammy veredeln und füllt weltweit Konzert-Hallen der größten und namhaftesten Kategorie. Die mittlerweile fast 13 Jahre alten Aufnahmen stoßen plötzlich gar nicht mehr auf derartige Ablehnung und werden kurze Zeit später als CD produziert.
Zweifellos ist Diana Krall das Bandmitglied, das das Album „Heartdrops“ auf den ersten Blick interessant macht. Aber Vince Benedetti, der Allround-Jazzer und damalige Gelegenheits-Taxifahrer, ist der ursprünglichen musikalischen Idee treugeblieben und hat bei der Veröffentlichung seines Materials klar genau diesen Band Charakter in den Vordergrund gestellt. Nicht Sony oder Virgin duften sich auf Diana Kralls bisher wohl älteste Studioaufnahmen stürzen, sondern das relativ kleine schweizer Jazz-Label TCB des Schlagzeugers Peter Schmidlin.
Für Krallisten hält „Heartdrops“ eine interessante Mischung aus zwei gegensätzlichen Aspekten bereit: Gewohntes und Neues. Dianas Stimme ließ bereits 1990 die mittlerweile wohlbekannte Phrasierung mit ihren charmanten Timbrebrüchen erahnen. Wenn auch noch nicht ganz so ausgereift und nuancenreich. Improvisation und Intonation ihres Klavierspiels sind so einfühlsam eingebettet in und Teil des Band-Arrangements, dass erneut sehr schnell klar wird, dass ihr bereits damals das Zusammenspiel einer Jazz-Formation im Blut lag. Heute ist es u.a. gerade das, was weltklasse Musiker ihres Fachs wie Jeff Hamilton, John Clayton und Russel Malone an ihr besonders schätzen.
Das Neue ist eindeutig das Genre. Mainstream Pop-Jazz ala Basia und Peter White ist nicht unbedingt das, was sich Diana Krall in ihrer bisherigen Karriere als Markenzeichen auf die Hutkrempe geschrieben hat. Zudem muss das Zeitlose dieser Musikgattung, im Gegensatz zu Dianas bisher eingespielten Repertoire, das besonders seit „All For You“ mit ihr assoziiert wird wie Dave Brubeck mit dem fünf-viertel-Takt, noch wachsen. Doch genau das macht diese CD so interessant.
Die Frische des Materials hat nicht primär etwas mit dem recht jungen Entstehungsdatum der Stücke zu tun, die bis auf zwei („Detroit Blues“ von I. Eckinger und „Your Destiny“ von H. Vick) alle aus der Feder von Vince Benedetti stammen. Sondern vielmehr mit der Spielfreude des Quintetts und der Leichtfüßigkeit in Vince Benedettis Arrangements. Vor allem „The News“ und „Sunshine Express“ (Duett mit Gitarrist/Sänger Martien Oster) wirken geradezu fließend verspielt und machen Spaß. Leider liegt in diesem bestechenden Plus des Albums gleichzeitig seine Schwäche. Denn was die Musik gelegentlich vermissen lässt, ist eine Tiefe, die speziell das immense Talent Diana Kralls auf natürliche Weise in ihrem später bevorzugt gewählten Material findet und zum Ausdruck bringt, wie kaum eine andere Interpretin unserer Zeit. Und in diesem Fall bringt das Repertoir ohnehin eine geringere Betonung der Gesangsstimme mit sich, die wieder ganz Teil des Gesamtarrangements ist. Zu Zeiten der Entwicklung eines eigenen Stils sicher nicht das schlechteste für die schon seinerzeit und nach wie vor in alle Musikrichtungen offene Diana Krall. Doch wie wir heute wissen liegt ihre Stärke auch und besonders in der emotionalen Interpretation.
Vince Benedetti (Posaune, Synthesizer), hatte 1989 eine Gruppe Jazzmusiker um sich geschart, um nach einer Pause wieder Anschluss an die Musikszene zu knüpfen. Neben Martien Oster (Gitarre, Gesang) gehörten dazu Christoph Sprenger (Bass) und Alberto Canonico (Schlagzeug). Das fehlende Klavier und der Leadgesang kamen in Person von Diana Krall eines Tages durch Zufall hinzu. Sie stieg in Zürich in sein Taxi und auf dem Weg zu einem Auftritt kam man ins Gespräch. Als Vince sie wenige Tage später auf der Bühne erlebte, zögerte er nicht, sie in seine Band zu holen.
Heartdrops“ ist ein Muss für Krall- und Jazz-Fans gleichermaßen. Selten genug hat man heutzutage die Gelegenheit, sich die frühesten Aufnahmen großer Musiker in derart hoher Ensemblequalität anhören zu können. Diana betont immer wieder, wie wichtig es für ihre Entwicklung war, lange Zeit als recht unbekannte Bar-Pianistin alleine durch die Provinz zu ziehen. Sie nennt es „paying dues“ – Tribut zollen – und zwar all den „Cocktail-Musikern“, die wenig Beachtung erfahren und doch in einigen Fällen außergewöhnlich talentiert sind. Sie weiß, wovon sie spricht.